Besonders Bauherren und Architekten haben über die Jahre hinweg diese eine Kunst immer wieder weiter verfeinert: die Visualisierung. Weil viele Bauherren und Investoren ihre Vorhaben nicht aus caritativen Zwecken durchführen, sondern weil zuerst darum geht, Geld zu verdienen und diesen Gewinn zu maximieren, folgen die Visualisierungen nicht der realistischen Darstellung und auch nicht der Wahrheit. Es geht darum, dass der Betrachter das schön findet und über mögliche Unzulänglichkeiten hinwegsieht.
Bei vielen Bauprojekten helfen hier ein gut platzierter Sonnenuntergang, eine angenehme Perspektive, zusätzliches Grün oder spielende Kinder. Bei einem Projekt wie beim Matulusgarten in Freilassing ist das alles nicht ausreichend. Deshalb muss man schon tiefer in die Trickkiste greifen.
Und wer auch immer sagt, “sieht doch gar nicht so schlimm aus” oder “ist doch ganz nett”, bei dem hat es dann ja auch funktioniert.
Der Plan
Fangen wir mit dem Plan an. In diesem Fall der offizielle Plan, wie er auch offiziell bei der Stadt Freilassing ausgelegt ist.

Man sieht sehr schön, wie sich die Gebäude des Neubaus von denen auf der anderen Straßenseite unterscheiden.

Sehen wir uns einmal den Teil rechts unten genauer an, also ungefähr da, wo die Martin-Luther-Straße in die Matulusstrasse mündet.

Dazu nehmen wir noch das Bild aus dem offiziellen Bayernatlas
Man kann sehr gut auf dem grünen Grundstück den Altglascontainer rechts unten erkennen. Laut Bauplan sollen an dieser Stelle Parkplätze entstehen.

Legen wir die beiden Bilder doch einmal übereinander und sehen wir uns die die Grössenverhältnisse der alten und der neuen Bauten an. Man kann auch das gelbe Haus – das dritte Haus von rechts unten erkennen, mit seiner Dachgaube und dem hellen Dach des Nebenhauses.

Wenn wir hier eine Linie über die Strasse ziehen, dann sehen wir, dass das erste Neubau-Haus endet, bevor das gelbe Haus beginnt und wir sehen auch, dass die Breite des Neubaus an der Straße mehr als doppelt so breit ist, wie das gelbe Haus.
Was sehen wir wohl in der Visualisierung des Investoren?

Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters
Sagen wir mal, das ist nur eine schwierige Perspektive. Oder auch eine spezielle. Der Vergleich mit einem Kartenanbieter zeigt:

Oder aber da stimmt irgendwas nicht mit dem Massstab der Investorenbilder.
Sagen wir mal, das wäre nur eine spezielle Linse. Wie würde es dann aussehen, wenn wir eine der Neubauten mit dieser Linse einmal mit einem, uns gut bekannten Gebäude ersetzen?
Das Hauptgebäude der Grundschule ist ca 28 Meter breit und damit fast so breit wie die Doppelhäuser, die der Investor an der Matulusstraße bauen möchte. Wie könnte das wohl aussehen?

Wie gesagt: das muss eine spezielle Perspektive sein, denn plötzlich sieht die mächtige Grundschule klein und nett aus.
Optische Tricks
Aber es gibt noch andere Möglichkeiten.

Wie viele Stockwerke sind hier auf den ersten Blick zu sehen? Tatsächlich 3, wobei das Erdgeschoss optisch verschwindet, weil es so dunkel gehalten ist.
Das hat nichts mit Unwissen oder Klugheit zu tun. Es ist einfach eine optische Täuschung, und Frauen, die mit Mascara und Eyeliner umzugehen wissen, können bestätigen, dass das so auch funktioniert. Vor allem bei dem riesigen Mietblock. Hier ist aufgrund der Färbung und der Perspektive das Erdgeschoss gar nicht zu erkennen – wenn man nicht genau hinsieht.

Genauso wie auch die Fenster der Häuser. Auch diese sind künstlich vergrössert, um das Ganze netter aussehen zu lassen.


Dann sind da natürlich noch die Bäume und Sträucher. Vieles davon ist Phantasie und soll davon ablenken, dass die möglicherweise grösste private Tiefgarage der Stadt mittel- und langfristig die meisten existierenden Bäume vernichten wird.
Natürlich könnte all dies nur eine Menge an Zufällen sein. Oder es könnten beabsichtigte Gestaltungstricks sein. Es dient offenbar nur dem Zweck, dem Betrachter die wahren Dimensionen und Auswirkungen des massiven Baus zu verschleiern.
Warum stellt denn der Investor keine Bilder aus der Fussgängerperspektive zur Verfügung, warum zeigt er nicht die Laden/Cafe-Front aus der Sicht des Besuchers? Er wird seine Gründe haben. Aus seiner Sicht ist es besser die Bürger sagen: “wenn ich das gewusst hätte…”
Das Vorbild sollte der Sonnengarten in Limberg sein
Als das Projekt zuerst vorgestellt wurde, kommunizierte man, dass man sich bei dem Matulusgarten an das Projekt der Hillebrand Gruppe, dem “Sonnengarten Limberg” orientieren möchte.
Wie war es denn dort mit den Visualisierungen und der Realität? Zunächst die Visualisierung des Investoren.

Fotos vom tatsächlichen Sonnengarten:
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Dazu auch zur weiteren Lektüre ein Leserbrief zum Thema, oder einfach selbst googeln.
“Sonnengarten Limberg” – Schandfleck für Zell am See https://www.meinbezirk.at/pinzgau/c-lokales/sonnengarten-limberg-schandfleck-fuer-zell_a3653355