Verfahrensauswahl

...vorhabenbezogener Bebauungsplan nach § 12 BauGB

Anhand des von der Stadtverwaltung gewählten Verfahrens zur Schaffung von Baurecht ist festzustellen, dass bereits hier auf jeglichen größeren Einfluss auf die Planung verzichtet wurde. Unter dem Ex-Bürgermeister war es üblich, ohne besondere Einflußnahme durch die Stadt, bauliche Lücken maximal zu “füllen”. Warum ist das so?

Im Gegensatz zu einem „normalen” Bebauungsplan kann die Gemeinde bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan den Planer nicht bestimmen. Die Information über die gesamte Planung und ihre Auswirkungen erfolgt aus Sicht des Bauherren – und nicht aus Sicht der Gemeinde. Dies führt häufig – wie auch im vorliegenden Fall – dazu, dass der städtebauliche Gesamtzusammenhang (Belange des Naturschut­zes, des Denkmalschutzes, mögliche Alternativstandorte usw.) zu wenig berücksich­tigt wird. 

Es trifft gerade nicht zu, dass die Stadt die Planung „weitgehend und im Detail re­geln” kann (vgl. S. 3, 6). Vielmehr gibt die Stadt bei einem vorhabenbezogenen Be­bauungsplan wichtige Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand, die sie bei einem Angebotsplanverfahren hat. Die Meinung, ein vorhabenbezogener Bebauungsplan müsse allein schon deshalb aufgestellt werden, weil „das gesamte Vorhaben in der Hand eines benannten Trägers liegt” (S. 6), erscheint abwegig. Wäre dies zutref­fend, müssten alle Bebauungspläne, die Grundstücke bauwilliger privater Eigentü­mer betreffen, als vorhabenbezogene Bebauungspläne aufgestellt werden. Tatsäch­lich bietet aber § 11 BauGB für solche Fälle zahlreiche vertragliche Gestaltungs­möglichkeiten (einschließlich Kostentragungspflichten des Investors), bei denen man nicht auf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan angewiesen ist.

Hinzu kommt, dass die Gemeinde beim vorhabenbezogenen im Gegensatz zu ei­nem „normalen” Bebauungsplan auf wichtige Instrumente zur Sicherung ihrer Pla­nung verzichtet. Insbesondere verliert sie das sonst gegebene gemeindliche Vor­kaufsrecht und die Befugnis zum Erlass einer (für die vorliegende Planung im Stadt­rat schon einmal ausdrücklich gewünschte) Veränderungssperre(§ 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Während die Vorteile, die der Vorentwurf der Begründung dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan zuschreibt, also tatsächlich nicht bestehen, werden die Nachteile mit keinem Wort erwähnt.

Bebauungsplan der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren

Entgegen den Ausführungen im Vorentwurf der Begründung (S. 6) findet im vorlie­genden Fall die Vorschrift des§ 13 a BauGB keine Anwendung, da das Planungs­gebiet im Außenbereich liegt (s. hierzu o. III). Zwar gilt§ 13 a BauGB gemäß§ 13 b Satz 1 BauGB bis zum 31. 12. 2019 entsprechend für Bebauungspläne im Außen­bereich, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, mit einer Grundfläche im Sinne des§ 13 a Abs. 1 Satz 2 BauGB von weniger als 10.000 qm, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen begründet wird. Wie die UVP-Gesellschaft in ihrer Beschwerde vom 15. 09. 2017 an die EU-Kommission im Ein­zelnen dargelegt hat, verstößt § 13 b BauGB jedoch in mehrfacher Hinsicht gegen Unionsrecht. 

Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass für die bisherige Planung, die lediglich ein allgemeines Wohngebiet mit weitgehenden Ausnahmen festsetzen will (s. o.), auch die Voraussetzungen des § 13 b BauGB selbst nicht vorliegen. Die „Zulässig­keit von Wohnbauvorhaben” im Sinne dieser Vorschrift könnte nur bei Ausweisung eines reinen Wohngebiets unter Ausschluss der Ausnahmen des § 3 Abs. 3 BauGB ,,begründet” werden.

Der Vorentwurf der Begründung übersieht zudem, dass selbst dann, wenn die Voraussetzungen des§ 13 a BauGB vorliegen würden, keine Pflicht der Gemeinde zur Durchführung eines beschleunigten Verfahrens besteht (vgl. § 13 a Abs. 1 Satz 1 BauGB: ,,kann”). Der Stadtrat müsste also auch in diesem Fall die Gründe abwä­gen, die im vorliegenden Fall jeweils für und gegen die Durchführung eines be­schleunigten Verfahrens sprechen. Dabei versäumt es der Vorentwurf, die zahlrei­chen Gründe, die hier gegen die Durchführung eines solchen Verfahrens sprechen, auch nur zu erwähnen.

Die verfahrensrechtlichen Erleichterungen des § 13 a Abs. 2 Nr. 2 BauGB i. V. m. §13 Abs. 2 BauGB können im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zugunsten des beschleunigten Verfahrens angeführt werden, weil die Stadt Freilassing von diesen Erleichterungen offensichtlich keinen Gebrauch machen will.

Entscheidend gegen die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens sprechen §13 a Abs. 2 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Danach wird im be­schleunigten Verfahren

Informiert die Stadtverwaltung Stadtrat und Öffentlichkeit falsch?

Der Verzicht auf all diese Maßnahmen ist im beschleunigten Verfahren zwingend vorgeschrieben. Es ist daher irreführend, wenn der Vorentwurf behauptet, dass ,,ein Umweltbericht mit einzelnen Elementen einer Umweltprüfung” erstellt werde – angeblich, um „sicherzustellen, dass die vorliegende Planung umweltverträglich durchgeführt wird” (S. 6; vgl. a. S. 22) -, aber verschweigt, dass von der im „norma­len” Planaufstellungsverfahren vorgeschriebenen Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB und dem Umweltbericht nach § 2 a BauGB gerade abgesehen wird. Wollte man tatsächlich sicherstellen, dass die vorliegende Planung umweltverträglich durchgeführt wird, dürfte man nicht das beschleunigte Verfahren wählen, sondern müsste sich für ein „normales” Planaufstellungsverfahren entscheiden.

Der gemäß § 2 Abs. 4 BauGB und § 2 a Satz 2 Nr. 2 BauGB im normalen Verfahren aufzustellende Umweltbericht muss nach Ziffer 2 Buchs!. d der Anlage 1 zum BauGB Angaben über die in Betracht kommenden anderweitigen Planungsmöglich­keiten enthalten. Hierzu gehören in jedem Fall auch die Standortalternativen, die sich nach den Vorgaben des ISEK hier aufdrängen (s. o.). Eine planerische Abwä­gung, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Standortalternativen zu berücksich­tigen hätte, würde eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB erfordern, die im be­schleunigten Verfahren nicht durchgeführt werden darf.

Entsprechendes gilt, neben vielen anderen Abwägungsgesichtspunkten, auch für den Denkmalschutz. Nur im „normalen”, nicht beschleunigten Verfahren hat der Umweltbericht nach Ziffer 2 Buchst. b Doppelbuchst. ee der Anlage 1 zum BauGB auch Angaben zu den möglichen erheblichen Auswirkungen bei Realisierung des geplanten Vorhabens auf das „kulturelle Erbe” (wie im vorliegenden Fall die denk­malgeschützte Villa und ihre Umgebung) zu enthalten.

Der geplante Eingriff in ein wertvolles innerstädtisches Biotop würde in jedem Fall einen vollständigen Umweltbericht nach der Anlage 1 zum BauGB erfordern, der im beschleunigten Verfahren nicht erstellt werden darf. Der Vorentwurf zur Begrün­dung enthält keinerlei Aussagen darüber, auf welche Bestandteile des Umweltbe­richts hier verzichtet werden soll, und welche Gründe für diesen Verzicht ausschlag­gebend sind.

Die im beschleunigten Verfahren grundsätzlich bestehende Möglichkeit, den Flä­chennutzungsplan im Wege der bloßen Berichtigung nach § 13 a Abs. 2 Nr. 2 BauGB „anzupassen” (vgl. S. 5), muss im vorliegenden Fall angesichts des veralte­ten Plans und der völlig fehlenden Landschaftsplanung ausscheiden.

Die Wahl des beschleunigten Verfahrens kommt bei einem wertvollen innerstädti­schen Biotop wie im vorliegenden Fall nicht zuletzt auch deshalb nicht in Frage, weil die mit einer Realisierung der Planung verbundenen Eingriffe in Natur und Land­schaft dann gemäß§ 13 a Abs. 2 Nr. 4 BauGB als „vor der planerischen Entschei­dung erfolgt oder zulässig” gelten würden. Der Investor wäre damit von einem Aus­gleich der voraussichtlich erheblichen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs-und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts freigestellt. Da die Regelung des § 13 a Abs. 2 Nr. 4 BauGB zwingender Natur ist, könnte die Stadt Freilassing Ausgleichsmaßnahmen allenfalls in eigener „Regie” und auf eigene Kos­ten durchführen.  

Warum will die Stadt ausgerechnet in diesem Fall einen Investor auf derart unangemessene Weise priveligieren?

Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Stadt Freilassing ausgerechnet in diesem Fall einen Investor auf derart unangemessene Weise privilegieren will, während in vergleichbaren Fällen stets ein „normales” Bebauungsplanverfahren mit natur­schutzrechtlichem Ausgleich gewählt wird. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV liegt nahe.
Auch aus dem Blickwinkel des Umweltschadensgesetzes (USchadG) ist nach­drücklich davor zu warnen, einen Bebauungsplan mit nachteiligen Auswirkungen auf Lebensräume unionsrechtlich geschützter Arten im beschleunigten Verfahren auf­zustellen.

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine planungsbedingte Beeinträch­tigung oder Schädigung der unionsrechtlich geschützten Arten und ihrer Lebens­räume den vom Bebauungsplan begünstigten Investor zum Ersatz eines Biodiver­sitätsschadens nach § 2 Nr. 1 Buchst. a USchadG verpflichten kann.

Die Gemeinde haftet zwar nicht unmittelbar für einen Biodiversitätsschaden, kann jedoch vom Investor möglicherweise wegen Amtshaftung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG in Regress genommen werden.

Vermeiden ließe sich dieses Risiko nur, wenn die nachteiligen Auswirkungen der Planung auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands der geschützten Arten und ihrer Lebensräume im Rahmen des Planaufstellungsver­fahrens konkret ermittelt würden (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG). Dies würde jedoch eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB erfordern, die im beschleunigten Verfahren gemäß § 13 a Abs. 2 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB ausgeschlossen ist (s. o.). 

Unübersehbare "Nähe" eines Ex-Stadtrates zu den Investoren...

Über diesen Link sehen Sie ein weiteres Bild welches den neutralen Beobachter nur erstaunen kann.

2 Gedanken zu „Verfahrensauswahl“

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