Offener Anliegerbrief an die Stadt Freilassing

Einwendungen im Rahmen des Bauverfahrens an die Stadt vom 05.09.2019

Das Orginalschreiben liegt dem AK vor.

Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans "Matulusstraße"

Hier:

Einwendungen  im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit, § 3 Abs. 1 BauGB

Einschreiben gegen Rückschein

Zum o.a. Vorhaben, wie auf der Homepage der Stadt einsehbar, nehme ich als Eigentümerin des vermieteten und vom Vorhaben unmittelbar betroffenen Doppel-Eck-Hauses  Matulusstr. 21, Kreuzederstr. 40  Stellung wie folgt:

1. Vorhabenbezogener Bebauungsplan

Die Behauptung im Vorentwurf, die Gemeinde könne die Planung weitgehend und im Detail regeln, ist nicht nur falsch, sondern geradezu  dreist irreführend. Offensichtlich soll so die Öffentlichkeit, die mit Blick auf die Auslegung während der Ferienzeit nach der Regieführung des Vorhabenträgers wohl möglichst an Einwendungen gehindert werden sollte, auch noch von der Tatsache abgelenkt werden, dass es bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen  die Investoren sind, die hier anstelle des gemeindlichen Beschlussgremiums das Gesetz des Handelns diktieren: Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB ist es der Vorhabenträger und gerade nicht die Gemeinde, der „den Plan“ erstellt und „mit der Gemeinde abstimmt“, vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Die Behauptung  im Vorentwurf wird also bereits durch den Gesetzeswortlaut widerlegt.

Ebenso werden die Infos zur Planung und die Auswirkungen des Vorhabens für die Öffentlichkeit ausschließlich vom Vorhabenträger gesteuert. Dies führt  wiederum dazu, dass Behauptungen (des Vorhabenträgers) zu den Vorzügen der Planung als real dargestellt werden, seine  nachteiligen Auswirkungen auf die Belange des Natur- und Denkmalschutzes, auf den innerstädtischen Verkehr, Biotope, Grundwasser, und insbesondere die unumgängliche Suche nach Alternativstandorte  usw. hingegen nicht zur Sprache kommen. Das BauBG nimmt diese Rollenverteilung und Konsequenz im Grundsatz zwar in Kauf, stellt hierfür jedoch hohe Hürden auf:

§ 12 BauGB ist als Ermessensvorschrift konzipiert. Zwingende tatbestandliche Voraussetzung dafür, dass die Gemeinde dieses Ermessen überhaupt – pflichtgemäß! – ausüben darf, ist jedoch nach seinem Abs. 1 neben einem mit der Gemeinde im Detail abgestimmten Vorhaben- und Erschließungsplan die Bereitschaft und objektiv bestehende! Fähigkeit des Vorhabenträgers, das Vorhaben innerhalb einer vorgegebenen Frist durchführen und die Planungs- und Erschließungskosten im vereinbarten Umfang tragen zu können.

Hieraus folgt im Umkehrschluss: Bestehen auch nur die geringsten objektiven Zweifel an diesen Voraussetzungen oder sind sie nicht vorhanden, so fehlt es an den Voraussetzungen für das gemeindliche Beschlussgremium,  überhaupt einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan beschließen zu können. Die den Vorhabenträger treffenden Kosten werden im Übrigen bereits deshalb keinesfalls marginal bleiben, weil mit Blick auf die massive GFZ von 0,75 (hierzu später) die Bauten so erschütterungsintensiv gegründet werden müssen, dass die Eigentümer der bereits bestehenden Bebauung zumindest in der Matulusstraße  (natürlich auch der denkmalgeschützten Villa) vor Beginn der Gründungen jeweils ein vom Vorhabenträger  zu tragendes Beweissicherungsverfahren  beantragen werden, um nicht ihre zu erwartenden Schäden am Haus selbst tragen zu müssen. Führt das Beweissicherungsverfahren zum Ergebnis, die Schäden wurden von den Gründungsmaßnahmen ausgelöst, sind sie natürlich grundsätzlich vom Investor, ggf. von seinen Subunternehmen zu tragen. Da kann einiges zusammenkommen!

Aus alledem folgt: Eine Satzungskontrolle nach § 47 VwGO wird  somit bereits aus diesem Grunde zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen. Dass hier Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vorhabenträgers angebracht sind, ergibt sich bereits aus der Entstehungsgeschichte dieses unseligen Bebauungsplans-Vorentwurfs. Hiernach hatte der Landkreis als – zweckgebunden beschenkter!, mit diesem Verkauf indes unzweifelhaft zweckwidrig handelnder – Eigentümer der in Frage stehenden überplanten Fläche den Kaufpreis ursprünglich auf der Grundlage einer geradezu aberwitzigen GFZ von 1,0 festgesetzt.

Im Grunde ist es ein ungeheuerlicher Vorgang, dass ein Verkäufer eine unter dem Grundrechtsschutz des Art. 28 GG – Planungshoheit der Kommunen –  stehende Gemeinde bzw. deren Beschlussgremium mehr oder weniger nötigt, die Rolle des Exekutivorgans zugunsten eines maximalen Ertrages eines Grundstücksgeschäfts  zu spielen (es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass die Festlegung der GFZ in den Kernbereich der kommunalen Planungshoheit fällt.)  Dass dieser Druck von einer Gebietskörperschaft des ö.R. aufgebaut wurde, macht die Sache gewiss nicht besser. Es ist sonnenklar,  dass sich der VGH für diesen mehr als ungewöhnlichen Vorgang im Rahmen seiner nicht durch die Parteimaxime eingeschränkten Aufklärungsmöglichkeiten durchaus  interessieren wird.

Ob und in welchem Umfang der entsprechend exorbitante ursprüngliche Kaufpreis auf der Grundlage welcher Bestimmungen im Kaufvertrag an die jetzige, immer noch viel zu hohe GFZ von 0,75 (dazu später) angepasst wurde, ist für die Öffentlichkeit nicht annähernd transparent. Es ist folglich davon auszugehen, dass der Vorhabenträger bei der „Durchführung des Vorhabens“  i.S. des § 12 Abs. 1 BauGB unter einem enormen finanziellen Druck stehen wird.  Seine ursprüngliche, der Kaufabsicht zugrunde liegende Planung und Kalkulation auf der Basis einer GFZ von 1,0 ist nämlich so oder so entfallen. In toto ist somit festzustellen, dass es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 12 BauGB fehlt. Auf die Frage, ob das Beschlussgremium Stadtrat sein Ermessen im Zusammenhang mit der Wahl des vorhabenbezogenen Bebauungsplans pflichtgemäß ausgeübt hat, kommt es demzufolge mangels der Voraussetzungen dieser Ausnahmenorm gar nicht mehr an.

2. Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren

Bereits ein flüchtiger Blick in die Konzeption des § 13a i.V. mit § 13 BauGB genügt, um den eklatanten Gestaltungsmissbrauch zu erkennen, der vorliegend in der Nutzung dieses Planungsinstruments durch die Stadt liegt. Ganz offensichtlich ist bereits auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 BauGB, dass das Instrument  des vereinfachten Verfahrens vom Gesetzgeber keineswegs zu dem Zweck entwickelt wurde, einen komplexen planungsrechtlichen Sachverhalt einem vereinfachten Verfahren unterwerfen zu können. Vereinfachte Verfahren dienen nach den Gesetzen der Logik, aber auch nach der ratio legis ausschließlich der Handhabung und Abwicklung einfacher Sachverhalte. Dies gilt umso mehr für das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB, das die Innenentwicklung im Auge hat: Es dient im Wesentlichen der Nachverdichtung von bereits nach außen hin auf der Grundlage eines Bebauungsplans entwickelten oder nach § 34 BauGB zu beurteilenden vorhandenen Flächen.

Konsequenterweise wird deshalb im beschleunigten Verfahren u.a. keine Umweltprüfung  nach § 2 Abs. 4 BauGB durchgeführt, vgl. § 13a Abs. 1 Satz Ziffer 2 BauGB. Ebenso wenig  wird eine (zusammenfassende) Erklärung nach § 10a Abs. 1 BauGB über Art und Umfang der Berücksichtigung wesentlicher Umweltaspekte abgegeben. Auch entfällt das eminent wichtige Monitoring nach § 4c BauGB und die Verpflichtung aus § 2a BauGB, einen umfassenden Umweltbericht zu erstellen. Berücksichtigt man schließlich noch, dass die öffentliche Bekanntmachung nicht auf umweltbezogene Fakten hinweisen muss(ja nicht einmal hinweisen darf!), obwohl § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB im Grundsatz hierzu verpflichtet, dann wird spätestens klar: Für dieses Verfahren setzt der Gesetzgeber ein bereits absolviertes Grundverfahren voraus, das alle in diesem  beschleunigten Verfahren entfallenden Verpflichtungen und deren Einhaltung in der Vergangenheit bereits eingehalten hat.

Genau daran fehlt es hier: Das Verfahren wurde mit Blick auf den bisherigen Verlauf der Dinge einzig und allein zu dem Zweck gewählt (man könnte auch sagen: vom Vorhabenträger dem Beschlussorgan Stadtrat „wärmstens empfohlen“), um die  vorgenannten, wohl als lästig, zeitaufwändig und zu kostspielig  empfundenen Verpflichtungen der üblichen Bauleitplanung nicht einhalten zu müssen. Und dies ist Gestaltungsmissbrauch in seiner reinsten Form.

Der BayVGH wird also mit Rücksicht auf diesen eklatanten Verfahrensfehler  im Rahmen der Normenkontrolle  nach § 47 VwGO dem EuGH nach Art. 267 AEUV die Rechtsfrage gar nicht mehr vorlegen müssen, ob  (wofür an sich und wenn es darauf ankäme so viel spricht, dass es mit Rücksicht auf die Folgen absolut unvertretbar wäre, seitens des nationalen Fachgerichts auf die Klärung dieser Frage durch den EuGH  zu verzichten) der Anwendung des § 13 b BauGB höherrangiges Unionsrecht entgegensteht mit der zwingenden Folge der Nichtanwendung des § 13b BauGB. Diese noch bis Jahresende 2019 anwendbare Norm lässt nämlich auch bei der Überplanung  von Außenbereichen – und genau hierum geht es vorliegend, siehe unter Ziffer 3. unten –  jedenfalls bei dem Flächenausmaß der streitgegenständlichen Planungsfläche die Anwendung der §§ 13, 13a BauGB bis zum Jahresende zu.

3. Überplanung von Außenbereich

Der Entwurf spricht davon, der Außenbereich würde durch die Planung nicht tangiert, ja, er würde „geschont“. Da muss man sich schon zweimal die Augen reiben. Ein Blick in die Flurkarten sagt nämlich etwas gänzlich anderes: Der Vorentwurf überplant  in toto Außenbereich, denn: Zum einen fehlt für die Annahme einer nach § 34 BauGB zu beurteilenden Situation der notwendige Bebauungszusammenhang der Grundstücke  der Planungsflächen Fl.Nr. 518 und Fl.Nr. 519 mit dem tatsächlichen Innenbereich.  Dazu müsste nämlich die Planungsfläche an der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit  mit der schon vorhandenen Bebauung teilhaben. Die Umgebungsbebauung allein schafft schließlich noch keinen Bebauungszusammenhang. Erforderlich ist nach der zahlreichen Rspr.  hierzu zusätzlich, dass die überplante Fläche selbst, sozusagen als integrierter und integrierender Faktor, Bestandteil des Zusammenhangs ist. Daran fehlt es vorliegend.

Auch von einer Baulücke kann man nicht ausgehen: Auf eine solche kann man sich gerade noch verständigen, wenn die Planungsfläche maximal die Größe von drei der umliegenden Grundstücke aufweist – diese Größe wird hier indes um etwa das Zehnfache überschritten. Und die seit mehr als 25 Jahren unbewohnten und zum Abriss vorgesehenen Schwesternwohnheime können keinesfalls als Teil der vorhandenen Bebauung gelten. Denn dies setzt zwingend eine faktische Nutzung, zumindest eine Nutzungsmöglichkeit voraus. Und die fehlt hier. Im Übrigen kann eine Fläche nach der Rspr. nur dann eine Baulücke sein, wenn sie von der angrenzenden zusammenhängenden Bebauung  so entscheidend geprägt wird, dass ihre Bebauung als „zwanglose Fortsetzung der bereits vorhandenen Bebauung“  erscheint.

Zum anderen setzt die Beurteilung nach § 34 BauGB einen Ortsteil voraus, mithin eine organische, d.h. eine geordnete, funktionierende  und gelebte Siedlungsstruktur. Davon ist vorliegend, auch mit Blick auf die „toten“ Schwesternwohnheime nicht entfernt auszugehen. Augenschein überzeugt: Von gelebter Siedlungsstruktur kann hier wirklich keine Rede sein. Das Planungsgebiet stellt somit unter keinem Gesichtspunkt einen Ortsteil i.S. des § 34 BauGB dar: Es ist schlichter Außenbereich, und die Behauptung , die Planung schone ihn, ist reiner Hohn.

4. Grobe Misachtung des ISEK

Im Auftrag der Stadt Freilassing wurde in 2012 ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) erstellt, vom Stadtrat beschlossen und erst in jüngster Vergangenheit, nämlich 2016 ergänzt. Ihm kommt nach dem Willen des Gesetzgebers eine überragende Funktion zu. Denn nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB  „sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne insbesondere die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen  Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung zu berücksichtigen“.

Diese gesetzlich vorgeschriebene Berücksichtigung des ISEK lässt sich im streitgegenständlichen Vorentwurf nirgends finden. Das ISEK ist für ihn einfach inexistent – im Grunde ein unglaublicher Vorgang, der den Verdacht nahelegt, dass die Stadt mit dem von der Verfassung, vgl. Art. 28 GG, in ihre Hände gelegten Bauplanungsrecht einigermaßen überfordert ist. Stattdessen wird dem Vorentwurf der Flächennutzungsplan aus dem Jahr 1976 zugrunde gelegt, der nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich, nämlich insbesondere durch dieses ISEK, überholt und somit faktisch obsolet ist.  Im Einzelnen:

5. Missachtung des Naturschutzes

Das gesamte Stadtgebiet Freilassing ist Teil der Entwicklungszone des „Biosphärenreservats Berchtesgadener Land“. Das bestreitet – hoffentlich – niemand,  auch nicht im städt. Bauamt oder im Stadtrat. Damit gilt für den Matulusgarten § 25 Abs. 2 BundNatSchG, wonach Biosphärenreservate zu entwickeln und „wie Natur- oder Landschaftsschutzgebiete zu schützen sind“. Dieser gesetzlichen Verpflichtung zum Wald- und Gebietsschutz wird der Vorentwurf nicht gerecht, man muss sogar sagen, er ignoriert sie vollkommen.

Dies gilt ebenso für den Artenschutz, dem nach § 44 BundNatSchG durch eine in der Tat anspruchsvolle spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) Rechnung zu tragen ist. Es würde gut in die schier endlose Reihe der Fehlleistungen der Stadt im Zusammenhang mit der Überplanung des Matulusgartens passen, wollte sie die in toto insuffiziente, nicht einmal einer Alibi-Funktion genügende  „Stellungnahme“  des Büros Mühlbacher und Hilse vom 28.4.2018 als saP ausgeben!  Eine ihren rechtlichen Anforderungen genügende saP umfasst nämlich *Relevanzprüfung, *Bestandsaufnahme, *Prüfung evt. Verbotstatbestände, *Ausnahmeprüfung und schließlich *Berücksichtigung sonstiger Belange, die den Artenschutz betreffen.

Misst man die o.a. „Stellungnahme“ an den zwingenden Voraussetzungen einer  saP, also an den vorgeschriebenen fünf Prüfungsbereichen, dann wird schnell klar: Es fehlt nicht nur eine der Bezeichnung gerecht werdende Projektbeschreibung. Es fehlt auch die erforderliche Bestandsaufnahme des gesamten Strauch- und Baumbestandes (und der gesamten Fauna), es fehlt weiter eine Untersuchung zum Erhaltungswert jeder einzelnen Pflanze der Bestandsaufnahme, und es fehlt schließlich eine Begründung (es kann sie im Grunde auch gar nicht geben) dafür, dass selbst die in der „Stellungnahme“ so bezeichneten „Biotopbäume“ nicht erhaltenswert sein sollen. Gleichwohl wird im Vorentwurf  allen Ernstes behauptet, der auf dem Grundstück bestehende Grüngürtel bliebe weitgehend erhalten! In Wirklichkeit ist die vorgesehene Bebauung nur durch seine totale Beseitigung – mit Ausnahme einiger Bäume und Sträucher an der nördlichen und westlichen Grundstücksgrenze – überhaupt möglich. Das ist im besten Fall behördlicher Zynismus!

Auch von einer erschöpfenden, den Kriterien der saP gerecht werdenden Bestandsaufnahme der Fauna ist die „Stellungnahme“ des Büros M + H meilenweit entfernt. Dies verwundert weiter nicht; denn eine wirkliche Analyse auf der Grundlage einer umfassenden Bestandsaufnahme würde u.a. wenigstens fünf Detektorkartierungen  mit Logger voraussetzen. Natürlich ist so etwas zeitaufwändig und vor allem sehr kostspielig. Weil all dies fehlt, ist das „Untersuchungsergebnis“  des Vorentwurfs in toto unbrauchbar, ja, es bleibt sogar weit hinter den bei den Anwohnern bereits vorhandenen Kenntnissen zur Artenvielfalt von tagaktiven und nachtaktiven Vögeln, Fledermäusen, Käfern und Reptilien im Matulusgarten zurück.

Vielleicht mag es der Stadt mit Blick auf den Vorentwurf  nicht gefallen – aber sie besitzt im Matulusgarten tatsächlich einen innerstädtischen Wald i.S. des BayWaldG. (Andere Gemeinden wären sicher stolz darauf.) Hieran ändert nichts die Tatsache, dass die Fläche mit etwas mehr als einem Hektar nicht gerade groß geraten ist. Die Rspr. geht nämlich bereits ab einer Fläche von 400 qm aufwärts von einem „Wald“ im Rechtssinn aus.

Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG kommt dem (Matulus-)Wald besondere Bedeutung zu für den Schutz von Klima, Wasser, Luft, Boden, Tieren, Pflanzen, Landschaft und Naturhaushalt. Dieser Schutz würde bei Realisierung des streitgegenständlichen Vorhabens mit einem Schlag entfallen. Eine solche  Situation aktiviert wiederum die sog. Umwidmungssperre nach § 1a Abs. 2 Satz 2 BauGB, d.h., die als Wald genutzten Flächen dürfen nur im „notwendigen“ Umfang der bisherigen Nutzung entzogen und einer anderen zugeführt werden.

Damit steht fest: Ohne eine vorausgegangene erschöpfende Prüfung von Standortalternativen wäre  die mit der Planungsrealisierung zwingend einhergehende Waldvernichtung  bereits aus diesem Grund grob rechtswidrig. Denn die Notwendigkeit der Waldvernichtung kann ohne diese erschöpfende Prüfung nicht festgestellt werden.

6. Keine Prüfung von Standortalternativen

  • 3 Abs. 1 zwingt den Planungsträger, die Öffentlichkeit öffentlich über – alternative – Lösungen zu unterrichten, die für die Entwicklung bzw. Neugestaltung eines Gebietes in Betracht kommen. Natürlich setzt eine solche Unterrichtung voraus, dass die Stadt nach so solchen Alternativen ernsthaft geforscht hat bzw. forschen ließ. Dies gilt in Sachen Matulusgarten umso mehr, weil mit ihm *Außenbereich, *Wald, *grüne Lunge der Stadt und *wertvolles Flora- und Faunahabitat eines *Biosphärenreservats überplant wurde. Wie es mit diesem Forschen bis dato bestellt ist, habe ich bereits ausgeführt.

Wie hat nun ein den Kriterien des § 3 Abs. 1 BauGB gerecht werdendes Vorgehen auszusehen? Nun, die Stadt könnte für ein dermaßen wertvolles Biotop, wie es der Matulusgarten in seiner Substanz ist, ein Pflanzgebot nach § 9 Abs. 1 Ziffer 25 Buchstabe a) BauGB oder ein Erhaltungsgebot erlassen, vgl. § 9 Abs. 1 Ziffer 25 Buchstabe b) BauGB und den Matulusgarten parallel dazu als das anerkennen, was er zusätzlich ist, nämlich Wald. Sie könnte also den Matulusgarten nach § 9 Abs. Ziffer 18 Buchstabe b) BauGB als Wald in einem Bebauungsplan ausweisen.

Der Vorentwurf lässt indes die Suche nach Nutzungsalternativen – grob rechtsfehlerhaft –  in toto vermissen. Dies gilt ebenso für die (fehlende Suche) nach Standortalternativen, obwohl sie sich angesichts der in 2012 und 2016 völlig unumstrittenen Ergebnisse und Schlussfolgerungen des ISEK geradezu aufdrängt. Oder glaubt die Stadt allen Ernstes, sich mit dem „Masterplan“ von den lästigen Fesseln des ISEK befreit zu haben?

Der Masterplan ist kein städtebauliches Entwicklungskonzept i.S. des § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB. Auch wenn der Masterplan „Kernregion Salzburg“ den Matulusgarten in keiner Weise als geeigneten Standort für eine mit einer GFZ von 0,75 beabsichtigte massive Wohnbebauung hervorhebt, muss hier festgestellt werden: Der Masterplan hat nicht die allergeringste bauplanungsrechtliche Rechtsverbindlichkeit, ist somit auch nicht in der Lage, die sehr wohl gegebene Verbindlichkeit des  ISEK, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 11 BauGB, auch nur anzutasten, geschweige denn aufzuheben.

Hieraus folgt: Eine Realisierung des Vorentwurfs setzt voraus, dass mindestens die im nach wie vor rechtsverbindlichen ISEK eingehend erörterten Standorte für Wohnbebauung  (Staufenstraße und „am Sonnenfeld“) eingehend geprüft und sich in der Summe der Einzelabwägungen gegenüber dem Matulusgarten als unterlegen erwiesen haben. All dies fehlt im Vorentwurf – schlichte Fehlanzeige.

7. Art und Maß der baulichen Nutzung

Der  Vorentwurf erweckt (wohl zu einem unausgesprochenen, aber naheliegenden Zweck) den – unzutreffenden – Eindruck, die Umgebungsnutzung der Planungsfläche  entspreche der Nutzung in einem allgemeinen Wohngebiet oder gar einem Mischgebiet. Anders ist nicht zu erklären, warum auf Seite 7 des Vorentwurfs auf „mehrere medizinische Einrichtungen“ und „Dienstleistungs- und Handelsunternehmen in verschiedenen Bereichen (z.B. Fremdenverkehr, Holzbau, EDV und Investment)“ hingewiesen wird.

Die Realität sieht so aus: Der Mirtlwirt vermietet ein paar Fremdenzimmer, „die“ Dienstleistungsunternehmen bestehen aus einem Friseurladen. Das war’s dann. Beide liegen dort, wo die Matulusstraße  auf die Laufener Straße stößt – sie können deshalb beim besten Willen der näheren Umgebung nicht mehr zugeordnet werden. Abgesehen davon genösse der Friseur auch in einem reinen Wohngebiet die Privilegierung nach § § Abs. 3 Nr. 1 BauGB. Architekturbüro und das ebenfalls nicht in der „Umgebung“ liegende Dentallabor sind Freiberufler – auch sie sind nach § 13 BauGB in einem reinen Wohngebiet zulässig. Außer dem Krankenhaus selbst enthält die nähere Umgebung keine weiteren medizinischen Einrichtungen, keine Dienstleistungsunternehmen, keine Handelsunternehmen. Hier hat der Vorentwurf wohl eine andere Vorstellung  von näherer Umgebung als das BauGB.

Ersichtlich soll mit der (irreführenden) angeblichen Umgebungsnutzung  die für die Investoren wesentlich attraktivere geplante Nutzung als allgemeines Wohngebiet  mit der Möglichkeit der Zulassung von Beherbergungsunternehmen als logische Weiterentwicklung der näheren Umgebung gerechtfertigt werden. Natürlich ist in einem allgemeinen Wohngebiet der erzielbare Netto-Wohnraum bei gleicher GFZ deutlich geringer als in einem reinen Wohngebiet. Allein diese Tatsache widerlegt ersichtlich den im Vorentwurf behaupteten „Bedarf  an zusätzlichem Wohnraum“ als Grund der Überplanung ausgerechnet des Matulusgartens. Denn ein solcher Bedarf wird nicht durch zusätzliche Beherbergungsunternehmen befriedigt, die  – wie es bereits der Masterplan insinuiert – vorrangig der Stadt Salzburg als Touristenmagnet der  1. Kategorie zugute kommen.

Dasselbe gilt verschärft für die beabsichtigte „breitere Nutzungsmischung“. Seit wann sorgt eine solche für eine optimale Flächennutzung zur Schaffung von Wohnraum bei gegebener GFZ?  Wenn es wirklich um Wohnraum für die Freilassinger Bevölkerung gehen soll, dann ist die Ausweisung als reines Wohngebiet die 1. Wahl und nichts anderes. Aber das ist eben für den hinter diesem Vorentwurf stehenden Investor absolut uninteressant!

Entlarvend ist in diesem Zusammenhang, dass der Vorentwurf nur die nach § 4 Abs. 3 Ziffern 4 und 5 BauNutzVO  im allgemeinen Wohngebiet  zulässigen Ausnahmen nicht zulassen will. Dies heißt im Umkehrschluss: Betriebe des Beherbergungsgewerbes, vgl. § 4 Abs. 3 Ziffer 1, sonstige Gewerbebetriebe, sofern sie nicht stören, vgl. § 4 Abs. 3 Ziffer 2 BauNutzVO und Anlagen für Verwaltungen, vgl. § 4 Abs. 3 Ziffer 3 BauNutzVO, bleiben zulässig. Berücksichtigt man, dass zu den Verwaltungen in diesem Sinn neben Filialen von Banken und Versicherungen auch Verwaltungsgebäude von (Groß-)Betrieben aus Industrie und Handel – solche gibt es in Salzburg  in großer Anzahl – zählen, dann wird langsam klar, wo der Hase läuft: Der Masterplan dient zu einem guten Teil den wirtschaftlichen (Entwicklungs-)Interessen der Großstadt Salzburg. Ihr werden auf diese Weise Flächen der benachbarten Stadt Freilassing zur Verfügung gestellt, über die sie selbst nicht mehr verfügt oder die sie – im Gegensatz zum Stadtrat von Freilassing – nicht versiegeln will, weil sie  deren Wert als grüne Lunge erkannt hat.

Wenden wir uns nach diesem fast depressiv machenden Thema dem geplanten Maß der baulichen Nutzung zu: Der Vorentwurf behauptet allen Ernstes, die Bebauungsdichte mit ihren sage und schreibe 122!! Wohneinheiten füge sich optimal in die Nachbarschaft ein. Das ist mit Blick auf die Bebauung der Matulusstraße mit Einfamilienhäusern und überwiegenden Doppelhäusern bei einer GFZ von etwa 0,35 nichts anderes als blanker Zynismus! Sollte aber hier nicht Zynismus zu dieser Aussage geführt haben, dann war es nackter Dilettantismus, der die Feder führte. Dann nämlich muss das Bauamt nicht nur das im Norden liegende Krankenhaus, sondern auch noch das am Petersweg und nicht an der Matulusstraße gelegene siebengeschossige Gebäude auf Fl.Nr. 536/1 als prägende  Umgebungsbebauung angesehen haben!

Selbst einem Laien ist klar: Weder der eine Bau noch der andere kommt hier als Referenzbau in Betracht: Das Krankenhaus  kann als Sonderbau nicht zur Festlegung der GFZ herangezogen werden. Und wer das abscheuliche siebenstöckige Gebäude am Petersweg, eine typische Bausünde aus den siebziger Jahren, noch dazu außerhalb der prägenden Umgebung, als Referenzbau zur Festlegung der GFZ im Planungsgebiet heranzieht oder dies akzeptiert, hat sich als Bauplanungsfachkraft bzw. als Mitglied des Beschlussgremiums in Sachen Bauplanung selbst diskreditiert. Und schließlich: Wo im Norden (außer der erwähnten Bausünde der Peterswegsiedlung) und wo im Osten befinden sich hochgeschossige Mehrfamilienhäuser??

Damit steht fest: Das Maß der baulichen Nutzung, das sich hier an den wirklichen Referenzbauten der Matulusstraße zu orientieren hat, darf eine GFZ von 0, 35 nicht überschreiten. Wenn man sich dann die in der Ausschreibung  vom Verkäufer vorgegebene GFZ  von 1,0 – was für eine Farce! – in Erinnerung ruft, dann wird das gesamte Dilemma dieses armseligen Vorentwurfs deutlich: Er soll retten, was nicht zu retten ist.

8. Belange des Denkmalschutzes

Der Vorentwurf nimmt tatsächlich für sich in Anspruch, die vom Denkmalschutz der Heiligenbrunner Villa umfasste Natur- und Kulturlandschaft zu wahren. Es ist schade, dass der Vorentwurf diese Behauptung nicht in einer 3D-Darstellung der vorgesehenen Bebauung belegen muss. Dann würde jedem unbefangenen Betrachter sofort klar: Der einmalige Charme dieses entzückenden Jugendstil-Kleinods mitstarker persönlicher Note, das seinesgleichen weit und breit sucht, ist dahin, weg, ausgelöscht. Dieser Charme lebt nämlich fast ausschließlich von der Abschirmung des Denkmals durch den umgebenden Park von der Wohnbebauung im Süden, mit anderen Worten: Der denkmalschützerische Wert der Villa besteht gerade in der Komposition von Park und Gebäude und der Distanz zu weiterer Bebauung. Diese Komposition wird durch die geplanten massiven Baukörper schlicht vernichtet. Und die angeblich verbleibenden „Durchblicke zum Wohnraum“ sollen es dann richten?

Noch abstruser wird es, wenn der Vorentwurf auf „die Stärkung des Alleinstellungsmerkmals der Villa“ rekurriert. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Muss man  folglich nur das Umfeld eines Denkmals maximal verunstalten, und schon hat man das Alleinstellungsmerkmal des Denkmals gestärkt und damit das Denkmal geschützt und in seinem Wert erhöht!? Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Planung hat eben nicht nur das – isolierte – Denkmal zu schützen, sondern auch und gerade dessen Umgebung, mit der das Denkmal ein Ensemble bildet und exakt hieraus sein Alleinstellungsmerkmal bezieht!

Resumée:

Der Vorentwurf leidet an einer solchen Anzahl von Verfahrens- und Planungsfehlern, dass er einer Nachbesserung nicht zugänglich ist. Die Überplanung „Matulusgarten“ muss angesichts der erdrückenden Anzahl von Rechtsfehlern aufgegeben werden, soll sie nicht vor Gericht scheitern. Insbesondere  die Wahl des vereinfachten und beschleunigten Verfahrens, die Ignoranz, mit der der Vorentwurf dem ISEK als einem eigenen, verbindlichen  und einstimmigen Stadtratsbeschluss  aus jüngster Zeit begegnet, der fehlende Natur- und Denkmalschutzschutz,  die Verkennung der Umgebungsbebauung des Planungsgebiets, das hieraus resultierende „Unmaß“ der Bebauung  und last but not least die krasse Außerachtlassung des durch die geplante Bebauung geschaffenen Quellverkehrs sind hierfür neben einem zusätzlichen, aber wesentlichen Geburtsfehler verantwortlich. Dieser Geburtsfehler besteht darin, dass das LRA als Verkäufer der Planungsfläche  mit der geradezu irrsinnigen GFZ von 1,0 als Geschäftsgrundlage  des Kaufvertrages zum Zweck der Gewinnmaximierung dem eigentlichen Herren des Bauplanungsrechts, nämlich dem Freilassinger Stadtrat, de facto vorschrieb, dass und wie er den Matulusgarten  zu beplanen habe. Ein klassischer Fall, wo der Schwanz mit dem Hund wedelt. Das konnte nicht gut gehen. Und es spricht viel dafür, dass all dies auch  dem BayVGH nicht sonderlich gefallen wird.

Mit freundlichen Grüßen

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